Quelle: Verbundsprojekt „TransGem“

Vom 18. bis 20. November 2021 fand an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg die Online-Tagung des Verbundprojekts „Transformation durch Gemeinschaft. Prozesse kollektiver Subjektivierung im Kontext nachhaltiger Entwicklung“ (TransGem) statt.

Reiz der Nische – Zeit.Räume der Nachhaltigkeit

Als interdisziplinäre Tagung widmeten sich die teilnehmenden Forscher*innen dem Phänomen der Nische aus vielseitigen Wissenschaftsperspektiven und -diskursen, wobei das nascent-Projekt mit einem Beitrag mit Fokus auf solidarische Landwirtschaftsbetriebe einen praxisnahen Blickwinkel auf dieses weite Forschungsfeld ausführen durfte.

Eingebettet in einen Themenblock mit dem Titel „Reizvolle Aussichten – Transformation diesseits und jenseits der Mainstreamisierung“ präsentierte das nascent-Projekt Umbruchsperspektiven, welche aus den jüngsten Erkenntnissen zu SoLawi-Betriebsgründungen und -umstellungen und den damit einhergehenden Herausforderungen und Potentialen hervorgehen.

Wie Solidarische Landwirtschaft Nischen besetzt und kollaborativ überwinden kann

Die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt setzen an der Mehrebenenperspektive (Multilevel Perspective – MLP von Geels und Kemp 2012) an. Sie beschreiben gesellschaftliche Strukturen und Dynamiken als Zusammenspiel von übergeordneten (Entwicklungs-)Trends, sozioökonomischen, technischen u. politischen Regimekonfigurationen und der Herausbildung von Nischen.

Trotz einer steigenden Zahl von SoLawi-Betrieben in Deutschland mit 361 Betrieben (Stand: 06/2021; Netzwerk Solidarische Landwirtschaft) machen sie zwar aktuell nur einen Bruchteil der gesamten landwirtschaftlichen Fläche aus, doch zeigen sie dennoch traditionellen Landwirtschaftsbetrieben eine vielversprechende Alternative zum vorherrschenden „Wachse oder Weiche“-Dilemma auf. Doch wie kann der Bruch mit eingefahrenen Strukturen und eine Umstellung auf SoLawi gelingen?

Unabhängig davon, mit welcher Motivation und in welcher Organisationsform das Vorhaben Solawi angegangen wird, stehen zu Beginn einer Umstellung oder Neugründung zahlreiche Bedarfe im Raum, die auf teils langwierige Prozesse oder neuartige, spezifische und knappe Ressourcen abzielen, sodass die Entstehungsphase zu einem hemmenden Unterfangen werden kann. Untersuchte Betriebe decken dabei ihre Bedarfe, indem sie zum einen führungsinterne Lösungen finden, zum anderen auf den Austausch mit anderen landwirtschaftlichen (SoLawi-)Betrieben setzen oder darüber hinaus ihre Ressourcen aus einem kooperativen Konglomerat aus Akteur*innen beziehen, z.B. aus breiten Teilhabestrukturen und dem eigenen Mitgliederkreis. Entsprechend unterschiedlich ausgeprägt ist die Integration in den transformativen Wertschöpfungsraum, der SoLawis umgibt, den sie mitgestalten und der ein Netzwerk, aus sich gegenseitig befruchtenden Beziehungslinien sowie Versorgungsstrukturen beschreibt.

Für Betriebe, die sich vor oder in der Entstehungsphase befinden, können Systemdienstleister, d.h. Akteure mit unterschiedlichen beratenden und unterstützenden Funktionen eine Möglichkeit darstellen, die anfänglich hohe Bedarfsvielfalt zu decken. Insbesondere für erzeuger*innengeführte Betriebe bilden sie eine Alternative zu oftmals eingespielten führungsinternen Lösungsstrategie und können so Überlastungen von Landwirt*innen entgegenwirken.

Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass die Potentiale der Systemdienstleister bisher noch nicht ausgeschöpft sind. Eine Ausnahme bildet hier das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft als zentraler unterstützender Akteur, der von vielen Gründung- und Umstellungsbetrieben angefragt wird. Erfahrungsaustausch findet daneben vor allem zwischen SoLawis statt und verbleibt damit oft in der Nische. Auch die Mehrheit der Aktuer*innen innerhalb des Feldes der Systemdienstleister ist vor allem hier verortet. Dennoch liegt ein wesentliches Potential zur Erschließung notwendiger Unterstützungsleistungen (bspw. Förderprogramme, Zugang zu Flächen) bei staatlichen Akteur*innen und konkreten behördlichen Ansprechpartner*innen. Gerade hier sind SoLawi-Betriebe in der Vergangenheit auf verschlossene Türen gestoßen, die sich nun mit vermehrten Interesse an solidarischer Landwirtschaft öffnen. Bis in die Regime-Ebene hineinzuwirken, spielt zudem zur Deckung von anderen, vor allem SoLawi-spezifischen und bisher nur schwer zu deckenden Bedarfe eine zentrale Rolle (z.B. rechtliche Beratung, IT-Lösungen für u.a. Mitgliedermanagement).

Ein wesentliches Potential, das den Pfad künftiger Betriebsumstellungen und -neugründungen weiter ebnet, liegt daher in der Beziehung zwischen Nischen- und Regime-Ebene. Das sich in der Erweiterung und Verdichtung befindende heterogene Feld der Systemdienstleister*innen kann hier eine vielversprechende Vermittlungsrolle einnehmen und notwendige Brücken schlagen.