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Regionalwert AG

20 km nördlich von Freiburg, in Emmendingen, sitzt die Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG. Sie unterstützt vom „Acker bis zum Teller“ regionale Betriebe der Lebensmittelbranche, die nach bestimmten ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten wirtschaften.

 

Finanzierung

Knapp 650 Aktionär*innen aus der Region Freiburg halten derzeit Aktien der Regionalwert AG. Mit dem Grundkapital im Wert von rund 3 Mio. Euro werden Beteiligungen an Betrieben der regionalen ökologischen Landwirtschaft bzw. Ernährungswirtschaft erworben. Dies können stille Beteiligungen sein, Geschäftsanteile mit Stimmberechtigung oder auch der Besitz von Boden und Immobilien und dessen Verpachtung. Damit ermöglicht die Bürgeraktiengesellschaft vor allem kleinen Betrieben die Existenzgründung, die Neuausrichtung auf den Bio-Landbau oder den Abbau von Fremdkapital.

Zu den wichtigsten Voraussetzungen der Zusammenarbeit zwischen den Geldgebenden und den Praxispartnern gehören Transparenz und klar ausgewiesene Kriterien. Auf der jährlich stattfindenden Hauptversammlung legen die Aktionär*innen die Kriterien fest, nach denen ihr Kapital angelegt werden darf. Dabei sollen sie stets nachvollziehen können, wie ihr Geld eingesetzt wird. Zur besseren Beurteilung erstellen die Partnerbetriebe deshalb neben der regulären Wirtschaftlichkeitsbilanz auch eine Öko- und Sozialbilanz, nach welchen ihr Erfolg gemessen wird. Eine einseitig ökonomische Bewertung wird somit umgangen.

Die Regionalwert AG bietet den Aktionär*innen damit die Möglichkeit einer nachhaltigen und regionalen Geldanlage. Sie wissen allerdings auch, dass es einige Jahre dauern kann bis neue Existenzgründer*innen Rendite im herkömmlichen Sinne erwirtschaften, d. h. Geld ausgeschüttet wird. Geduld ist deshalb gefragt. Allerdings versteht die Regionalwert AG Rendite nicht nur als finanzielle Ausschüttung an die Aktionär*innen. Rendite erfasst auch immer die Gewinne an sozial-ökologischen Werten, z. B. die Schaffung von sinnstiftender Arbeit oder auch die Erhaltung der Kulturlandschaften und der Bodenfruchtbarkeit. Und diese Form der Rendite erwirtschaften die Partnerbetriebe von Anfang an.

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 Vernetzung

Im Laufe der letzten 10 Jahre ist dank der Investitionen der Regionalwert AG entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein regionales Netzwerk aus 20 Produzenten, Händlern und Dienstleistern entstanden.Zu den Partnerbetrieben gehören Bauernhöfe, Bio-Läden und Bio-Manufakturen, aber auch Dienstleister*innen (Buchhaltung, Rechnungsprüfung, Beratung/Coaching/Moderation). Als Wertschöpfungsverbund entlang der gesamten Wertschöpfungskette unterstützen sich die Partnerbetriebe der Regionalwert AG gegenseitig. Sie kennen sich untereinander und haben engen Kontakt. So wissen z. B. die Bio-Läden wie die Partner-Bauernhöfe wirtschaften, welche Probleme sie vielleicht aufgrund des Wetters haben etc. Das ermöglicht es, den eigenen Kund*innen eventuelle Qualitätsprobleme oder Lieferengpässe zu vermitteln. Auch die Manufakturen arbeiten eng mit den Bäuer*innen sowie dem Handel zusammen, z. B. wenn es um die Produktentwicklung geht. So können Kundenwünsche und auch die Anbaumöglichkeiten der Höfe miteinander in Einklang gebracht werden. Dieser soziale und wirtschaftliche Zusammenhalt ermöglicht zudem die Spezialisierung einzelner Betriebe, da Preis- und Absatzschwankungen innerhalb des Netzwerkes teilweise wieder aufgefangen werden.

Zu den weiteren Aufgabenbereichen der Regionalwert AG gehören neben der Finanzierung und Vernetzung der Partnerbetriebe auch rechtliche und betriebswirtschaftliche Beratung und Öffentlichkeitsarbeit. So veröffentlicht die Regionalwert AG mittlerweile eine eigene vierteljährliche Zeitung, die „Regionalwärts“. Auch bei der Suche nach geeigneten Hofnachfolgern wird die Regionalwert AG  unterstützend tätig.

 

Vision und Ziele des Gründers

Die Regionalwert AG wurde 2006 von Christian Hiß gegründet. Seine Vision war und ist auch heute noch,  eine nachhaltige Landwirtschaft für die Menschen in seiner Region zu schaffen. Die Idee der Aktiengesellschaft ist dabei, wie er selbst sagt, durch Wut entstanden. Wut darüber, dass er als kleiner Bio-Landwirt von den regulären Kreditinstituten als „nicht kreditwürdig“ eingestuft wurde und ihm deshalb der Kredit für den Bau eines neuen Stalles verwehrt wurde.

Hier sah er Handlungsbedarf. Er studierte Social Financing und gründete anschließend die Regionalwert AG. Die Aktiengesellschaft sollte es kleinen Bauernhöfen aus der Region über Beteiligungen und Verpachtungen ermöglichen, ihre ökologischen Kleinbetriebe selbstständig zu führen. Geldgeber*innen und Praxisbetriebe sollten zusammengebracht werden, um gemeinsam eine nachhaltige Regionalwirtschaft in der Region Freiburg zu schaffen. Mit dieser Idee hatte er Erfolg und wurde 2011 sogar zum Social Entrepreneur des Jahres gewählt.

Seine Idee soll nun auch in andere Regionen getragen werden. In Bayern, Hamburg und 2016 auch in Köln wurden weitere Regionalwert AGs gegründet. In den kommenden Jahren werden mit Sicherheit noch weitere Nachahmende folgen.